Ich glaube, die wenigsten von uns können sich nur annähernd eine Vorstellung machen, was es heißt, aus seiner Heimat zu flüchten. Was muss man erlebt haben für solch einen für das eigene Leben doch sehr gravierenden Einschnitt?
Dennoch sollte man versuchen, sich dies vorzustellen; das Gefühl, wenn man alles, womit man sein Leben bisher verbracht hat, hinter sich lässt. Seine Familie, seine Freunde, seine Heimat! Und all das, um in eine ungewisse Zukunft zu flüchten, von der keiner wissen kann, was ihn wirklich erwartet. Schon die Flucht allein ist verbunden mit viel Angst und Risiko. Eine Strapaze, von der sich sicher kaum jemand hier ein Bild machen kann. Viel mühsam erspartes Geld, das an die Schleuser geht. Oftmals werden die Flüchtlinge in den Ländern, die sie durchqueren, nicht geduldet und müssen zahlreiche Hindernisse bis hin zu Gefängnis aushalten. Auch eine Mittelmeer-Überfahrt, ob in einem verrosteten, alten Schiff oder im überfüllten Schlauchboot, ist lebensgefährlich.
Bei Ankunft an der europäischen Grenze: Erst einmal ins Auffanglager. Ist man dann endlich an dem zugewiesenen Ort angekommen, fängt das Asylverfahren an, das heißt erst einmal warten, warten auf Anerkennung und noch schlimmer, das Warten auf Arbeitserlaubnis. Sind Flüchtlinge nicht schon genug durch ihr Erlebtes traumatisiert, das lange Warten auf Arbeit und die damit verbundene Langeweile gibt ihnen dann oftmals den Rest.
Warum gibt man diesen oftmals jungen und motivierten Menschen nicht lieber die Chance, so schnell wie möglich Deutsch zu lernen und warum lässt man sie nicht einen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten, indem man es ihnen erlaubt, für sich selbst zu sorgen? Zumal ihnen dies sicherlich auch für ihr eigenes Wertgefühl unermesslich viel bringen würde! Nein, ihnen wird noch nicht einmal ein Deutschkurs zur offiziell gewünschten Integration angeboten, da dies erst nach Anerkennung des Flüchtlingsstatus möglich ist. Daher mussten in Wald-Michelbach, wie leider in vielen anderen Kommunen in Deutschland auch, Privatinitiativen in die Bresche springen und private, ehrenamtliche Kurse anbieten.
In Bayern ist man zumindest so weit, dass man mittlerweile das Potential in Bezug auf die demographische Entwicklung in unserem Land erkannt hat und Flüchtlingen weit schneller als bei uns in Hessen Deutschkurse anbietet und sogar für Berufsausbildung sorgt.
Manchmal werden die Flüchtlinge sogar mit offenen Armen empfangen: „Hilfe ist in Riace keine Einbahnstraße", sagt Bürgermeister Lucano. "Wir versuchen, den Flüchtlingen hier ein Zuhause zu bieten, und im Gegenzug helfen sie uns, dieses Zuhause am Leben zu halten." Flüchtlinge, die andernorts aufgrund fehlender Papiere abgeschoben werden, erhalten in Riace Arbeit, werden in den Dorfalltag integriert – und helfen dabei, einen Ort wieder aufzubauen, der vor gut 14 Jahren fast ausgestorben war.
Ganz so krass ist es bei uns natürlich nicht, aber warum sollte man diesen Menschen hier bei uns keine Chance geben? Warum sollen sie nicht auch ein Gewinn für unsere Gesellschaft sein?
Wünschenswert wäre es, dass Gesetze und Verordnungen dies noch mehr unterstützen, so wie es die Ministerpräsidenten Bouffier und Kretschmann sowie auch Ministerpräsidentin Dreyer unlängst forderten.
Zwar können Flüchtlinge nach einer neuen Verordnung bereits nach 3 Monaten eine Arbeitserlaubnis erhalten, dennoch ist die Realisierung einer Arbeitsstelle schwierig, da der Weg durch die unterschiedlichen Ämter ziemlich lange dauern kann. Von Seiten der Politik wäre noch viel zu tun. Politische Entscheidungen könnten durchaus auf der Mitarbeit von Ehrenamtlichen aufbauen. Auch in Wald-Michelbach haben sich einige Bürger der Gemeinde, wie z. B. der AWO-Ortsverein und einige Fußballvereine der Flüchtlinge angenommen. Schön wäre es, wenn man diese Aufgabe auf noch mehr Schultern verteilen könnte. Hier wäre die Frage, wer sich noch dazu befähigt fühlen würde, den Flüchtlingen zu helfen. Sei es durch weitere Angebote im Bereich Deutsch Lernen oder auch durch Unterstützung der Flüchtlinge beim Umgang mit den Ämtern.
Dass die Flüchtlinge gerne ihren Beitrag vor Ort leisten möchten, haben sie in etlichen Einsätzen, bei denen sie unentgeltlich ihre Hilfsbereitschaft gezeigt haben, bewiesen. Beweisen wir Überwälder nun unsererseits, dass wir sie willkommen heißen.
woherwissen Sie eigentlich so genau, wie es Flüchtlingen bei uns geht?
Weil einige unserer Vereinsmitglieder mit ihnen im direkten Kontakt stehen, z.B. beim ehrenamtlichen Deutschunterricht oder bei der Unterstützung in Behördenangelegenheiten.