Das hat noch kein Industrieland gewagt: Die komplette Energieerzeugung wird umgestellt auf grünen Strom. Ein Experiment mit ungewissem Ausgang. Riesige Kraftwerke der großen Energiekonzerne, die Deutschland mit Atom- und Kohlestrom versorgen, waren gestern. Heute übernehmen immer mehr Bürger die Stromerzeugung, bauen eigene Öko-Kraftwerke.
Der Gewinn fließt nicht mehr allein in die Taschen der Konzerne, sondern auch in die der Bürger. Ziel vieler Kommunen ist Vollversorgung mit selbst erzeugtem Strom vor Ort.
Kleine Kraftwerke Die Gemeinde Haßfurth in Franken produziert heute schon Dreiviertel ihres Stroms selbst, schon bald soll es mehr sein, als sie selbst verbrauchen kann. Und sie will mit ihren kleinen Kraftwerken helfen, die Netze stabil zu halten. Haßfurt will ein virtuelles Kraftwerk einrichten, das Stromschwankungen im Netz ausgleichen kann. Solche Schwankungen werden immer stärker, das Stromnetz gerät an den Rand der Stabilität. Wenn die erneuerbaren Energien keinen Strom produzieren, wenn der Wind nicht bläst und die Sonne nicht scheint, dann müssen andere Kraftwerke schnell hochfahren.
Doch bislang setzt Deutschland hauptsächlich auf Großkraftwerke, vor allem Braunkohlemeiler. Die fahren nur sehr langsam hoch und runter. Ein modernes Gaskraftwerk, das schnell und flexibel ist, wollten die Stadtwerke Leipzig bauen. Doch die Investition lohnt sich noch nicht - weil die alten Braunkohlekraftwerke noch den Großteil des Stroms erzeugen. So blockieren alte Großkraftwerke die Energiewende. Blockade vielerorts auch beim Windausbau. Schuld ist der stockende Netzausbau. Die Netze müssen immer mehr Windstrom abtransportieren. Doch gegen neue Stromtrassen formiert sich Widerstand von Bürgerinitiativen. Dabei gäbe es Alternativen: Bürgerbeteiligung beim Netzausbau oder moderne Hochtemperaturseile, die an den alten Masten die doppelte Menge Strom transportieren könnten - ganz ohne Neubau und überdies noch billiger.
Wer zahlt? Die Energieversorgung in Deutschland wird umgebaut, doch wer soll das bezahlen? Insbesondere die Industrie klagt über Standortnachteile. Der Energiewirtschafts-Experte Uwe Leprich zeigt, wie sich gerade die energieintensive Industrie Privilegien in Milliardenhöhe gesichert hat. Dank großer Schlupflöcher in den Gesetzen zahlen viele Firmen fast nichts für die Energiewende. Im Gegenteil: Sie profitieren. Tatsächlich sorgt erneuerbare Energie bereits heute an vielen Tagen für drastisch sinkende Preise an der Strombörse.
Da bleibt abzuwarten, wie sich das in den kommenden Jahren weiterentwickelt, bzw. in welche Richtung die Energiewende geht. Bleibt nur zu hoffen, dass die Rechnung dafür nicht wieder nur der Steuerzahler tragen muss sondern auch große Konzerne herangezogen werden.