Antikorruptionsbemühungen von Verlagen und Rundfunkanstalten müssen gestärkt werden
Berlin, 16.07.2013 – Der Journalistenverbund netzwerk recherche stellt heute in Kooperation mit der Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland, dem Institut für Journalistik der TU Dortmund und der Otto-Brenner-Stiftung die Kurzstudie „Gefallen an Gefälligkeiten: Journalismus und Korruption“ vor. Im Rahmen der Publikation kommt eine Befragung von Medienhäusern zu dem Schluss, dass ihr Interesse an dem Thema Korruptionsbekämpfung bisher gering ist.
Jürgen Marten, stellvertretender Vorsitzender von Transparency Deutschland: „Statt systematisch Korruption vorzubeugen und Transparenz zu schaffen, ruhen sich anscheinend viele Häuser auf dem Glauben aus, dass ihre Journalisten nicht bestechlich seien. Doch auch hier müssen wirtschaftliche Abhängigkeiten – zum Beispiel von Anzeigekunden – und mögliche Interessenkonflikte öffentlich gemacht werden. Wir brauchen außerdem mehr Transparenz über die Mitteleinnahmen und –verwendung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Wir fordern, dass die Anstalten in einem öffentlichen Bericht darüber Rechenschaft ablegen.“
Befragung von Tageszeitungen und Analyse von Regelwerken
Im ersten Schritt der Compliance-Untersuchung durch das Institut für Journalistik an der TU Dortmund wurden die Chefredakteure der dreißig auflagenstärksten Tageszeitungen angeschrieben. Davon haben lediglich zwei die Fragen beantwortet. In einem zweiten Schritt wurde eine Auswahl öffentlich zugänglicher Regelwerke von Verlagen sowie privater und öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten untersucht. Auch die Richtlinien des Presserates, des Deutschen Journalistenverbandes und von netzwerk recherche wurden verglichen.
Die Analyse der Kodizes zeigt, dass sie mitunter nur einen appellierenden Charakter haben und wenig konkrete Vorgaben enthalten. Zum Beispiel wird nicht definiert, ab welchem Wert Geschenke, Einladungen und Rabatte abzulehnen sind. Fast überall fehlen verbindliche Konsequenzen bei Nichteinhaltung interner Kodizes oder der Richtlinien des Presserats. Dies wäre jedoch im Sinne eines modernen Compliancemanagementsystems entscheidend für die Wirksamkeit der Kodizes. Ein Vorschlag für ein umfassendes Regelwerk wird am Ende der Untersuchung vorgestellt.
Bevölkerungsumfrage stellt Medien schlechtes Zeugnis aus
Günter Bartsch, Geschäftsführer von netzwerk recherche: „Gerade in unserer Branche, in der Glaubwürdigkeit ein hohes Gut ist, sollte mehr Transparenz und bessere Korruptionsprävention möglich sein. Erst letzte Woche hat das relativ schlechte Abschneiden der Medien auf dem Korruptionsbarometer von Transparency International gezeigt, dass wir handeln müssen.“
Die Bevölkerungsumfrage des Globalen Korruptionsbarometers untersucht, wie korrupt einzelne Sektoren wahrgenommen werden. In Deutschland rangieren die Medien mit 3,6 Punkten auf einer Skala von eins (überhaupt nicht korrupt) bis fünf (höchst korrupt) in diesem Jahr erstmals hinter der Öffentlichen Verwaltung (3,4) und dem Parlament (3,4).
Über den Bericht
Neben der Compliance-Untersuchung von Natascha Tschernoster von der TU Dortmund, enthält die Kurzstudie Beiträge von Netzwerk-Recherche-Mitglied Boris Kartheuser über den Einfluss der PR-Branche auf den Journalismus sowie Fallbeispiele wie die Luxusreisen von Journalisten mit ThyssenKrupp, Volkswagen und Mazda. Ein weiterer Beitrag deckt Schleichwerbung in Zeitschriften der WAZ-Women-Group auf. Ein Beitrag von Transparency Deutschland leistet zudem einen Abriss über Korruption und Journalismus aus rechtlicher Perspektive.
__________________________________________________________________________ - Stefan Werner ist Vorstandsmitglied des Vereins "Demokratisches Bürgerforum Überwald" -