Die schnelle Energiewende lohnt sich. Wir müssen zwar erst einmal dafür bezahlen, doch unsere Kinder und Enkel werden enorme Summen sparen - wie mehrere Studien zeigen.
Es ist wie bei einer ganz normalen Scheidung. Der eine denkt ständig an die neue Flamme, fiebert dem Neustart entgegen und kann es kaum erwarten, endlich das lang ersehnte gemeinsame Leben mit der neuen Liebe zu beginnen. Der andere, von Existenzängsten geplagt, klammert sich krampfhaft an den Status quo und droht dem Partner damit, dass ihn die Scheidung teuer zu stehen komme: Der Unterhalt für die Kinder, ja überhaupt - wer habe denn damals die meisten Güter in die Ehe eingebracht? Der Rosenkrieg kann beginnen.
Genauso verhält es sich mit der Energiewende. Schon lange haben sich die Deutschen in die erneuerbaren Energien verguckt und sind munter dabei, fremdzugehen. Doch nun scheint der Zeitpunkt gekommen, auf schnellstem Weg klare Verhältnisse zu schaffen: Fast 90 Prozent wollen mit der Atomenergie mehr oder minder schnell Schluss machen. Für sie versprüht die alte Weggefährtin keinen einzigen Funken Liebreiz mehr.
Doch kaum haben die Atomstromkonzerne kapiert, dass die über Jahre gewachsene, recht stabile Beziehung nun plötzlich in die Brüche geht, bäumen sie sich auf: Die Trennung werde den Geldbeutel des untreu gewordenen deutschen Steuerzahlers über alle Maßen belasten. Verunsichert fragt sich dieser nun, ob er das alte Band wirklich zerreißen soll. Was, wenn das neue Herzblatt nicht wirklich hält, was es heute verspricht? Eigentlich war ich doch in der alten Beziehung immer gut versorgt. Könnte mir mit der Scheidung gar der finanzielle Ruin drohen?
In dieser schwierigen Situation hilft es nur, sich fachlich beraten zu lassen - so wie man bei jeder Scheidung einen Anwalt hinzuzieht, der Kosten und Güter aufrechnet. Denn es geht nicht nur um unsere Zukunft, sondern auch um viel Geld.
Der Scheidungsanwalt in Sachen Energiewende würde anhand der Sachlage recht bald feststellen, dass es erstaunlich gut um seinen trennungswilligen Mandanten steht: Mittlerweile gibt es mehrere Studien, die zeigen, wie die Energiewende funktionieren kann, ohne dass wir unseren Wohlstand und unsere Klimaziele gefährden.
Bereits letzten Juni haben sieben Institute des Forschungsverbunds Erneuerbare Energien das "Energiekonzept 2050" vorgestellt. Es ist die "Vision für ein nachhaltiges Energiekonzept auf der Basis von Energieeffizienz und 100 Prozent erneuerbaren Energien" (siehe Kasten Seite 22). Die Botschaft: Wenn wir heute die Energiewende angehen, können wir unseren Energiebedarf - nicht nur für Strom, sondern sogar für Wärme und Mobilität - bis 2050 zu 100 Prozent aus Erneuerbaren decken. Und das mithilfe von Investitionen, die in einem sehr überschaubaren Rahmen bleiben. Dazu brauchen wir weder neue Kohlekraftwerke, noch eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken.
"Wir müssen bis zum Jahr 2020 maximal 13,6 Milliarden Euro im Jahr investieren", rechnet Gerd Stadermann vor, der Geschäftsführer des Forschungsverbunds, "dann wird es schnell weniger. Und nach 2030 machen wir sogar richtig Gewinn, weil die Erneuerbaren immer wirtschaftlicher werden." Deshalb könne, so die Rechnung der Institute, bis zum Jahr 2050 allein in den Bereichen Strom und Wärme die gewaltige Summe von 730 Milliarden Euro eingespart werden ...
__________________________________________________________________________ - Stefan Werner ist Vorstandsmitglied des Vereins "Demokratisches Bürgerforum Überwald" -