Demokratisches Bürgerforum Überwald: 18 Mitglieder fordern Transparenz und Beteiligung / Nicht nur Kommunalpolitik im Fokus Ein Verein will sich einmischen
Wald-Michelbach/Überwald. Sie wollen die Demokratie mit Leben füllen und Bürger direkt an der Politik beteiligen: Bereits Ende September traf sich eine Gruppe Überwälder, um über demokratische Strukturen und Entwicklungsmöglichkeiten ihrer Gemeinden und ihres Lebensumfeldes zu sprechen. Das Ergebnis: 18 Mitglieder gründeten das Demokratische Bürgerforum Überwald. Ziel des Vereins ist es, regionale Entwicklungen zu beobachten, Handlungskonzepte zu entwerfen und Entscheidungsprozesse transparent zu machen. Außerdem sollen Themen diskutiert werden, die nicht mit Kommunalpolitik zusammenhängen. Die Gründungsmitglieder fordern eine „andere, bessere politische Kultur“.
„Viele Menschen sind zunehmend von der Parteipolitik, ihren Ergebnissen und Methoden frustriert. Dabei droht die Demokratie zu verkümmern, weil Alternativen nicht mehr diskutiert und im vorauseilenden Gehorsam einer zweifelhaften politischen Korrektheit nicht einmal mehr gedacht werden“, erklärt Mitinitiator Jörg Maletz einen der Gründe, warum der Verein notwendig sei. Die Demokratie müsse wieder mit Leben gefüllt werden. Deswegen will sich der Verein künftig in die Diskussionen und politischen Entscheidungen ihrer Gemeinden einmischen.
Keine politische Partei
„Wir wollen Bürger motivieren, sich engagiert und positiv mit Politik und ihren Hintergründen auseinanderzusetzen und sich einzubringen“, so Anja Gammelin-Werner. Von politischen Parteien will sich der Verein dabei aber deutlich abgrenzen. Parteien würden oft „im eigenen Saft schmoren“ und sich hauptsächlich mit sich selbst und ihren Strukturen befassen. Dabei gehe es viel zu oft um Eitelkeiten, um Eigeninteressen oder um Wahltaktik mit Pöstchenvergabe. „Wir werden uns nicht von Vorbehalten, Denkverboten und parteipolitischen Tabus beeinflussen lassen und durchaus unkonventionelle Vorschläge machen“, so Maletz. Die zentrale Forderung des Vereins: Transparenz und Bürgerbeteiligung. Vorstandsmitglied Hermann Engesser betont: „Betrachtet man die hiesige Kommunalpolitik, besonders in den letzten Jahren, in denen keine Bürgerversammlungen mehr stattgefunden haben und Entscheidungen, wie etwa die Gründung der IGENA durchgepaukt wurden, ohne geforderte ergebnisoffene Prüfung von Alternativen, wie die eines Eigenbetriebs, dann muss man sagen, dass es mit der Transparenz der Entscheidungsabläufe in Wald-Michelbach Probleme gibt.“
„Wollen damit Schluss machen“
Ähnliches gelte auch für das Draisinen-Projekt, bei dem beim ersten Spatenstich der Finanzierungsanteil der Kommunen in der kommunalen Arbeitsgemeinschaft noch nicht feststand. Man erhoffe sich nun Mäzene, die das in die Hand nehmen sollen. Viele Projekte dieser Größenordnung würden fast völlig an den Bürgern vorbei beraten und beschlossen, heißt von Seiten des Vereins. „Welcher Wald-Michelbacher Bürger weiß etwa, dass er mit einer Bürgschaft über 1,3 Millionen Euro für das Nahwärmenetz haftet, über dessen wirtschaftliche Basis er ebenso wenig informiert wurde?“, fragt Maletz. Weitere Beispiele dieser „selbstherrlichen Politik“ ließen sich laut den Mitgliedern in Fülle finden. „Damit wollen wir Schluss machen“, so Maletz.
Impulse geben, Konzepte erstellen
„Wir wollen das lebhafte Bürgergespräch unter Einbeziehung der gewählten Gemeindevertreter, also Bürgerversammlungen zu wichtigen Themen mit echten Einflussmöglichkeiten und öffentliche Informations-und Gesprächstermine vor Ausschuss- und Gemeindevertretungssitzungen“, konkretisiert Sven Wingerter. Wesentliche Aufgabe des Vereins sei es, inhaltliche Impulse zu geben und Konzepte zu verschiedensten Themen zu erarbeiten. Dazu gehöre, die Verkehrsentwicklung bürgernah und umweltverträglich zu machen, eine ökologische Grundlage der Energieselbstversorgung zu schaffen, alle Schulabschlüsse zu erhalten und den Schulstandort mit neuen weiterführenden Abschlüssen und Ganztagsangeboten für alle Schüler weiter zu entwickeln, kulturelle Initiativen zu unterstützen, die ökonomische Entwicklung langfristig mit nachhaltiger, technisch fortschrittlicher Produktion zu planen, die Gastronomie ökologischer und den Tourismus landschaftsschonend zu gestalten, die Land- und Forstwirtschaft zu fördern und die Attraktivität für Jugend, Familien und Senioren im Sinne einer Mehrgenerationengemeinde zu steigern.
Jörg Maletz fasst es kurz: „Wir wollen eine spürbare Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität auf lange Sicht. Der gegenwärtige Aktionismus und Strohfeuerpolitik sind unsere Sache nicht.“
Der neue Verein
Zu Sprechern des Vereins wurden Anja Gammelin-Werner, Jörg Maletz und Sven Wingerter gewählt.
Kassierer: Andreas Lammer
Weitere Vorstandsmitglieder: Hermann Engesser, Dirk Hennrich, Thomas Herold, Carsten John, Horst Mikkat und Stefan Werner.
Eine erste öffentliche Veranstaltung soll Anfang November stattfinden. Neben der Vorstellung des Vereins selbst ist das Diskussions-Thema des Abends „Wald-Michelbach auf dem Weg in die Postdemokratie?“.
Kontakt zum Verein per E-Mail an demokratisches-buergerforum@ gmx.de.
Infos gibt es auch im Internet: demokratisches-buergerforum.xobor.de – aber Achtung: ohne „www“ vor der Adresse.
- - - Quelle: Odenwälder Zeitung vom 23. Oktober 2010
--- Sven Wingerter ist Kreistagsabgeordneter, stv. Ortsvereins- und stv. Fraktionsvorsitzender der SPD Wald-Michelbach sowie Gründungsmitglied des Vereins "Demokratisches Bürgerforum Überwald" ---