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Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus - "Es gibt keine Anfänge, denn es hat nie aufgehört"
„Es gibt keine Anfänge, denn es hat nie aufgehört“
Kreis Bergstraße. „Wehret den Anfängen“ ist ein im Zusammenhang mit dem Thema Rechtsextremismus sehr häufig gebrauchtes Zitat. „Es ist völlig falsch“, sagte Holger Giebel vom Vorsitzendenteam des Bergsträßer Kreisverbandes der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bei der von der Bildungsgewerkschaft organisierten Veranstaltung anlässlich des Gedenktags für die Opfer des Nationalsozialismus am Stolperstein-Mahnmal in Bensheim. „Es gibt gar keine Anfänge, denn tatsächlich hat es in Deutschland nie aufgehört. Wir sind mittendrin."
Zahlreiche weitere Vertreter von Vereinen, Kirche und Politik sowie etliche Bürger aus dem gesamten Kreisgebiet nahmen an der Gedenkveranstaltung teil, um auf diese Weise deutlich zu machen, dass dem rechten Rand kein Freiraum gewährt werden darf. Giebel gab seiner Enttäuschung darüber Ausdruck, dass sich nach Bekanntwerden der Morde des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) praktisch nichts geändert habe. Stattdessen würden Vereinigungen, die gegen Rechtsextremismus aufstehen, mit der „Gesinnungsprüfung“ unter einen „absurden Generalverdacht der möglichen Verfassungsgegnerschaft“ gestellt und die Mittel für den Kampf gegen Rechts nicht aufgestockt. Selbst unbescholtene Bürger, die gegen Neonazis demonstrieren, würden unschuldig ins Gefängnis gesteckt. So sei es bei einem 36-jährigen Familienvater der Fall gewesen, der zu zwei Jahren ohne Bewährung verurteilt worden war, weil er bei einer Anti-Nazi-Demonstration in Dresden dazu aufgerufen habe, eine Polizeisperre zu durchbrechen. Das Urteil sei ohne Beweise und trotz einer gegenteiligen Aussage eines Anwohners erfolgt.
Forsche man genauer über die solchermaßen agierenden Richter und Staatsanwälte nach, stoße man schnell auf Studentenverbindungen, die als rechts eingestuft werden. „Dass Rechtsextremismus kein Phänomen der östlichen Bundesländer ist, dies wurde und wird auch in in unserer Region deutlich. Zuletzt im Fürther Ortsteil Erlenbach, wo ein Neonazi-Treffen stattfand, das glücklicherweise schnell aufgelöst wurde“, so Giebel.
Auch Manfred Forell von der Initiative gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit unterstrich, dass von braunen „Anfängen“ längst nicht mehr gesprochen werden könne und verdeutlichte dies anhand etlicher, sehr nachdenklich stimmender Beispiele. „Wir sind es den Opfern des Nationalsozialismus und rechter Gewalt schuldig, dass wir endlich aus unseren Schaukelstühlen aufstehen“, rief Forell zu einem breiten Engagement gegen Rechts auf.
Barbara Köderitz vom Evangelischen Dekanat Bergstraße verlas in Vertretung ein Grußwort von Dekanin Ulrike Scherf. Darin wurde bedauert, dass es nach den NSU-Morden trotz aller Ankündigungen nie eine breite Aufarbeitung gegeben habe. Stattdessen seien wichtige Akten geschreddert und die Verantwortung von der einen zur anderen Behörde weitergegeben worden. Peter Kalb von der Geschichtswerkstatt Jakob Kindinger unterstrich die Bedeutung, sich der Vorkommnisse der Vergangenheit zu erinnern und gleichsam den Neonazis heute entschlossen entgegenzutreten. Dabei brachte er die Botschaft in Richtung der Personen mit braun getünchtem Gedankengut in einem Satz auf den Punkt: „Nazis raus aus dieser Stadt.“
SPD-Landtagskandidatin Karin Hartmann wies darauf hin, dass die Nazi-Ideologie kein Problem der Ewiggestrigen sei, wie zahlreiche Vorfälle in der Region dokumentieren. Auch junge Menschen würden sich dafür begeistern, weswegen dem entschlossen entgegengetreten werden müsse. Ein wichtiger Faktor in diesem Zusammenhang sei eine gute Bildung, da die den Grundstein der Demokratie darstelle. „Statt noch früherem und noch stärkerem Leistungsdruck und Einzelkämpfertum brauchen wir eine Gesellschaft, die Kindern von Anfang an Verantwortungsbewusstsein und Wertschätzung anderen Menschen gegenüber vermittelt und vorlebt“, sagte Hartmann.
Evelyn Berg vom Kreisverband der Grünen nahm Bezug auf die Neonazi-Demonstration im vergangenen Sommer in Bensheim. Es sei notwendig, ein Zeichen zu setzen, damit dies nicht noch einmal passiere. Angelika Köster-Lossack vom Synagogenverein Auerbach und der Grünen Liste Bensheim berichtete von persönlichen Begegnungen mit Holocaust-Überlebenden, die für sie ein Ansporn gewesen seien, sich gegen Rechts einzusetzen.
Christiane Hennrich von den Bergsträßer Linken verwies auf die Notwendigkeit, sich dem Unrecht und den Morden, die im deutschen Namen stattfanden, zu stellen: „So schwer und unangenehm es ist, es ist aber auch die moralische Pflicht.“ Fremdenhass und Verfolgung sei ein erschreckendes Phänomen, das an vielen Orten erkennbar werde und dem man mit Zivilcourage entgegentreten müsse.
Franz Beiwinkel vom DGB Bergstraße erinnerte an eine Gruppe, die oftmals in Vergessenheit gerät: die 12 Millionen Zwangsarbeiter im Dritten Reich, die häufig unter unmenschlichen Bedingungen und komplett rechtlos ihrer Tätigkeit nachkommen mussten.