Solardraisine - Aus aktuellem Anlass: Wie beurteilen Sie die Situation der Solardraisine, und wie stellen Sie sich die Zukunft des Schienenverkehrs vor?
Ich bin froh darüber, dass bei der Gründung der Überwaldbahn gGmbH und der Einrichtung der Solardraisine parteiübergreifend der Streckenerhalt oberstes Ziel war. Dass die Draisine ein Zuschussbetrieb ist, war im Grunde von Anfang an klar. Diese Zuschüsse sind auch aufgrund der Tourismusförderung und des damit verbundenen wirtschaftlichen Nutzens der Draisine bis zu einem gewissen Punkt in Kauf zu nehmen.
Während auf der Einnahmenseite keine spürbaren Verbesserungen mehr möglich sind, ist in den letzten Jahre das Defizit der Solardraisine stetig gestiegen und hat im vergangenen Jahr fast 300.000 Euro erreicht. Ganz zu schweigen von den Fehlern zu Beginn der Einrichtung der Draisine auf Seiten des Kreises, durch die die angestrebten Fördermittel der EU aufgrund der unzulässigen Doppelförderung mit dem Denkmalschutz nicht geflossen sind. Hinzu kommt jetzt die aktuelle Situation mit der in Frage gestellten Betriebsgenehmigung für 2017 und den anstehenden Instandsetzungskosten.
Hierzu eindeutige Aussagen zu treffen ist im Moment ohne gesicherte Erkenntnisse nicht möglich und es müssen die Untersuchungen abgewartet werden. Je nach dem, wie der Zustand der Strecke, Tunnel und Viadukte ist und welche Investitionen für den Weiterbetrieb der Solardraisine notwendig sind, liegt es meiner Meinung nach aber auch nahe, am Ende zu der Entscheidung zu kommen, anstatt immer wieder Geld in den Weiterbetrieb der Solardraisine und den dafür notwendigen Streckenerhalt zu stecken, die Trasse direkt für den Schienenbetrieb instand zu setzen.
Wenn wir unseren Blick in die Zukunft richten, unabhängig davon, ob die Draisine bis 2028 in Betrieb sein wird oder nicht, ist es kein Geheimnis, dass ich mich seit Ende der 1990er Jahre für die Reaktivierung der Bahnstrecke Wald-Michelbach–Mörlenbach einsetze. Da die Einrichtung von Bahnstrecken zwischen 10 und 20 Jahre in Anspruch nimmt, müssen wir nächstes Jahr in die Planungen einsteigen.
Für die mittel- und langfristige Entwicklung des Überwalds ist ein Bahnanschluss von großer Bedeutung. Eine bessere Anbindung an die Metropolregion durch den Schienenverkehr fördert den Tourismus, erleichtert es uns unsere jungen Leute hier zu halten, wird angesichts der medizinischen Versorgungslage für Facharztbesuche immer wichtiger, entspannt die Situation der vielen Pendler, sowohl für diejenigen, die den Zug benutzen werden, als auch diejenigen, die auf der dann weniger befahrenen Straße pendeln.
Keinen Bahnanschluss zu haben ist für Wald-Michelbach ein echter Standortnachteil! Um unsere Infrastruktur aufrechtzuerhalten, müssen wir uns darum kümmern, wie wir in den nächsten Jahren und Jahrzehnten unsere Einwohnerzahlen aufrechterhalten können. Für junge Familien, die potenziell nach Wald-Michelbach ziehen würden, ist die fehlende Anbindung an den Schienenverkehr ein Ausschlusskriterium.
Es liegen Gutachten zur Reaktivierung der Überwaldbahn vor, zuletzt vor wenigen Monaten von HessenMobil, das die Strecke als eine von 15 stillgelegten auflistet, bei der die Reaktivierung Potenzial hat. Ein Betriebskonzept für einen 60-Minuten-Takt, bei der man innerhalb von 25 Minuten in Weinheim wäre, liegt ebenfalls schon lange vor – bei dem der Schienenbetrieb die Kommunen wahrscheinlich weniger kosten würde als der Draisinenbetrieb. Die Investitionskosten hierfür lägen laut den Gutachten bei 15 Millionen Euro, von denen der Kreis und die Kommunen die gleiche Summe beizusteuern hätten, wie sie es bei der Einrichtung der Solardraisine getan haben.
Natürlich kann Wald-Michelbach hier keinen Alleingang machen und die Entscheidung liegt am Ende beim Kreistag, doch ohne den nötigen politischen Willen und die Forderung nach einer Bahnanbindung aus Wald-Michelbach wird der Kreis gewiss nichts tun.
"Man muß einmal vorsetzen, daß das Land nicht für Beamte, Schultheisen, Vorsteher und Gerichte, sondern daß dieße des Landes wegen da seyn." Karl Theodor von Dalberg, 1769