Vortrag von Hermann Engesser, Kreistagsabgeordneter Kreis Bergstraße und Gemeindevertreter Wald-Michelbach, mit anschließender Diskussion, am 14.3.2011 um 20.00 Uhr im Restaurant Maienhof, Forsthausweg 1, Siedelsbrunn
Colin Crouch, Professor für Governance and Public Management an der University of Warwick und auswärtiges wissenschaftliches Mitglied am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, hat den Begriff "Postdemokratie" in die politische Debatte eingeführt. Er sieht hauptsächlich drei Phänomene, die für postdemokratische Zustände ausschlaggebend sind. Da ist der globale Konzentrationsprozess, der zu wenigen aber sehr mächtigen Unternehmen führt, die dann immer weniger gegeneinander konkurrieren, weil in vielen Branchen nur wenige Unternehmen übrigbleiben. Diese Player setzen ganze Staaten unter Druck, um ihre Erfolgsbedingungen zu verbessern. Mit der permanenten Drohung „…dann gehen wir woanders hin“ werden, so Crouch, Arbeitsgesetze aufgeweicht, Unternehmenssteuern reduziert und in Ministerien wird schon mal beim Formulieren von Gesetzen „geholfen“. Diese Methoden führen dann letztlich dazu, dass demokratische Regierungen schleichend in drei Bereiche zerfallen. Da sind erstens die zunehmend marktförmig organisierte Funktionen, etwa die Privatversicherungen im Gesundheitswesen und bei der Rente, bei denen private Anbieter hohe Gewinne machen. Zweitens die belastenden Verpflichtungen, die private Unternehmen nicht übernehmen möchten. Diese bleiben dann als lähmende Finanzlöcher beim Staat. Man denke nur an die Rettung der Banken, bei der Hunderte von Milliarden an Steuergeldern ausgegeben wurden. Drittens bleibt das Marketing, d.h. die öffentliche Darstellung eines positiven Images. Deshalb kann man auch auf großer Breite das Anwachsen von Haushaltspositionen für Öffentlichkeitsarbeit in öffentlichen Haushalten beobachten.
Postdemokratische Muster in Wald-Michelbach
Zunächst wird Hermann Engesser die Akteure und ihre Aufgaben in Wald-Michelbach vorstellen: die Gemeindevertretung und den Gemeindevorstand. Die kommunale Politik in Wald-Michelbach ist nicht denkbar ohne den Begriff der Wald-Michelbacher Verhältnisse. Durch die Gründung des Demokratischen Bürgerforums ist hier eine Gegenbewegung entstanden, die bereits auf die verkrusteten Wald-Michelbacher Verhältnisse einwirkt. Kaum war der Verein gegründet, wurde bekannt, dass nach acht Jahren erstmals wieder eine Bürgerversammlung anberaumt wurde. Bürgerversammlungen können jedoch nur ein Anfang sein. Wenn die Gemeinde wirklich von demokratischen Verfahren profitieren möchte, dann geht es nur über mehr Initiativen mit mehr Beteiligung an politischen Parteien und Initiativen. Aber nur so können wir die Zukunft in Wald-Michelbach mit vielen Alternativen gestalten und erreichen, dass das Thema „Wald-Michelbach ist abgehängt“ endlich auf die Agenda kommt und Gegenstrategien entwickelt werden. Um die Jugend für eine demokratische Beteiligung zu gewinnen, muss endlich ernsthaft über die Einrichtung eines Jugendparlaments beraten werden. Bei der enormen Verschuldung Wald-Michelbachs wäre es zu begrüßen, wenn ein Bürgerhaushalt durchgesetzt werden könnte.
Hermann Engesser, Pressereferent Bündnis 90/Die Grünen, Wald-Michelbach